Backe, backe Kuchen

Wie aus der Leidenschaft einer Klientin und dem Engagement einer Mitarbeiterin süße Versuchungen entstehen.

Barbara Rauscher sitzt freudenstrahlend und erwartungsvoll in der Küche. Um sie herum sind Backutensilien aufgereiht. Heute wird sie mit ihrer Betreuerin Sabrina Wiesinger Kuchen für das Herbstfest backen. Die 27jährige liebt es, zu backen und kann durch das regelmäßige Üben und das Engagement ihrer Betreuerin schon viele Arbeitsschritte selbständig ausführen.

Zum Projekt gemacht

Kuchen backen war schon immer eine besondere Leidenschaft von Barbara Rauscher. Früher hat sie öfter mit ihrer Mutter gebacken, im Wohnhaus in der Dr. Karl Renner Straße in Vöcklabruck hat sie diesen Wunsch bei jeder Gelegenheit geäußert. Sabrina Wiesinger hat diesem Wunsch besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Die gelernte Köchin hat das Kuchenbacken zu ihrem Projekt in der Ausbildung zum Fach­sozial­betreuer gemacht und immer wieder neue Ideen entwickelt, um Barbara mehr und mehr Selbständigkeit beim Backen zu ermöglichen.

Die Eier-Challenge

Eine besondere Herausforderung stellte das Aufschlagen der Eier dar. „Das kann ich sowieso nicht“, meinte Barbara anfangs und viele Eier landeten am Boden, statt in der Schüssel. Nach einigem Herumprobieren fand sich schließlich eine Lösung: Barbara schlägt die Eier auf einer umgedrehten Tasse auf, die sich in der Rührschüssel befindet. So landen die Eier sicher in der Schüssel und nicht daneben. „Das hab ich 100 Mal geübt“, erzählt Barbara und zeigt her, wie das Aufschlagen funktioniert. Um die Eier nicht trennen zu müssen, hat Sabrina Wiesinger alle Rezepte umgeschrieben. Auch auf eine Waage wird bei den umgeschriebenen Rezepten völlig verzichtet –ihre Stelle nehmen Schöpfer und Gefäße unterschiedlicher Größe ein. Und um das Rühren zu vereinfachen, hat Barbara Rauscher von ihrer Mutter eine Küchenmaschine bekommen.

Bilder-Kochbuch

Um das Lesen der Rezepte für Barbara zu erleichtern, hat Sabrina Wiesinger sie in Leichte Sprache umgeschrieben und anschließend mit Bildern untermalt. Werden für ein Rezept fünf Eier benötigt, sind am Foto fünf Eier abgebildet und auch die einzelnen Arbeitsschritte sind bebildert. Für Sabrina Wiesinger bedeutete das: jedes Rezept vorab selber kochen, Mengen in Gefäß-Einheiten umwandeln und die einzelnen Arbeitsschritte abfotografieren. Auf diesen Weg sind bereits zwei gebundene Kochbücher entstanden.

Besonderes Engagement

Nicht nur das Vor-Backen zu Hause und das Erstellen der Kochbücher, sondern auch viele Backstunden mit Barbara Rauscher hat Sabrina Wiesinger in ihrer Freizeit geleistet. Da sie während ihrer Ausbildungszeit vorwiegend Nachtdienst-Stunden absolvierte, kam sie für ihr Projekt extra in das Wohnhaus. „Ich bin immer mehr reingekommen und es hat Spaß gemacht. Klar war es viel Arbeit – aber das macht nichts, ich habe es gern gemacht. Das Einzige was mir wirklich Nerven geraubt hat, war als ich die Fotos am Computer in ein gleiches Format bringen und einfügen wollte und mein alter PC mit den Mengen an Daten nicht völlig überlastet war“, berichtet Sabrina Wiesinger.

Voneinander profitieren

Ein besonderes Highlights für das Paar war, als Barbara Rauscher ihre Betreuerin in die Schule begleitet hat, um ihr gemeinsames Projekt vorzustellen. „Ich war sehr aufgeregt und das Gebäude war so groß“, berichtet Barbara Rauscher. „Wir haben Muffins gebacken und mit den Schulkollegen eine riesige Gaudi gehabt“, meint Sabrina Wiesinger und Barbara Rauscher ergänzt lachend „Aber wie“. Als Sabrina Wiesinger im Juli 2017 die Ausbildung zum Fach­sozial­betreuer abschloss, wurde das Engagement mit einer Eins auf die Projektarbeit belohnt.

Eine Freude war das viele Backen auch für Sabrina’s Tochter. Die 8jährige hat nicht nur zu Hause fleißig mitgeholfen, sondern auch einmal zusammen mit Barbara gebacken. Besonders beim Dekorieren haben die beiden denselben Geschmack und haben sich beim kunstvollen Dekorieren gegenseitig übertroffen.

Die Zuckerseite des Backens

Besonders viel Wert legt Barbara Rauscher auf die Dekoration der Torten. Zusammen mit Sabrina Wiesinger hat sie sogar einen Tortendekorationskurs besucht und dabei in Kauf genommen, dass der Kursort nicht behindertengerecht war und somit mit einer Extra-Herausforderung darstellte. Ihre goldene Regel dabei: je bunter – desto besser. Barbara’s Lieblingstorten haben daher eine helle Creme oder werden mit Rollfondant bedeckt, denn so kommt die bunte Dekoration besser zur Geltung. Dass bei der Arbeit mit dem Spritzsack die Hände von Sabrina Wiesinger führen, mindert ihre Freude am Dekorieren nicht im Mindesten. Dafür übernimmt sie den Part mit dem Dekor und sorgt dafür, dass aus den Kuchen Kunstwerke entsteht.

Backen als gesellschaftlicher Event

Während Barbara Rauscher den Teig rührt, gesellt sich Sepp Lenzeder zum Backtrupp. Mit dem Handmixgerät übernimmt er das Rühren der Creme und auch beim Ausschlecken der Rührschüssel ist er mit Begeisterung dabei. Viele Bewohner haben sich vom Barbara’s Backfieber anstecken lassen und helfen gerne mit. Auch Back-Workshops gab es bereits in der Rennerstraße, zu denen die gesellige Barbara nicht nur Bewohner des Lebenshilfe-Wohnhauses, sondern auch Freunde von auswärts eingeladen hat.

Süße Zukunftsaussichten

Sabrina Wiesinger freut sich darüber, dass Barbara viel selbständiger geworden ist. Wird gemeinsam gebacken, hat Barbara bereits alle Zutaten vorbereitet, wenn sie den Raum betritt. „Früher hat Barbara bei vielen Arbeitsschritten gesagt, dass ich sie machen soll. Viele davon erledigt sie heute vollkommen selbständig“, freut sich Sabrina Wiesinger.

Der Plan für die Zukunft steht: weiter backen und noch weiter fortbilden. Barbara Rauscher verfolgt interessiert, ob es in der Umgebung wieder ein Torten-Dekorierkurs angeboten wird und hat schon die Zusage von ihrer Betreuerin, dieses neue Wissen gemeinsam zu erwerben.

29.11.2017